Microsoft steht wegen Software-Lizenzierungspraktiken vor einer Klage in Milliardenhöhe
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Microsoft steht wegen Software-Lizenzierungspraktiken vor einer Klage in Milliardenhöhe

Gute Software und Lizenzen dürfen Ihren Preis haben! - Doch wie wird eine einseitige Ausnutzung von Marktmacht in Großbritannien bewertet und kann dies auch Auswirkungen auf Europa und Deutschland haben?

Alexander van der Steeg
Alexander van der Steeg Veröffentlicht am 04.11.2025

Die Microsoft Corporation, der weltweit größte Softwarekonzern, steht vor einer der größten rechtlichen Herausforderungen ihrer jüngeren Geschichte: In Großbritannien wurde eine Sammelklage in Milliardenhöhe gegen den Technologieriesen eingereicht.

Der Kern der rechtlichen Herausforderung

Die Sammelklage des erfahrenen Rechtsanwalts Alexander Wolfson könnte sich zu einem der größten Kartellrechtsfälle entwickeln, die jemals in Großbritannien verhandelt wurden.

Die Klage wirft Microsoft wettbewerbswidriges Verhalten vor, indem es den Wettbewerb zwischen neuen und gebrauchten Softwarelizenzen für seine Produkte einschränkt und so den Sekundärmarkt für Software manipuliert, um künstlich hohe Preise aufrechtzuerhalten.

Der Fall betrifft insbesondere Microsofts Lizenzierungspraktiken für seine am häufigsten verwendeten Produkte, darunter Microsoft Office und Windows-Betriebssysteme, und deckt den Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis heute ab. Laut der Klageschrift hat Microsofts Verhalten die Preise sowohl für neue als auch für gebrauchte Lizenzen beeinflusst und in die Höhe getrieben. Dadurch wurden britische Kunden systematisch für wichtige Softwareprodukte überhöht.

Alexander Wolfson, ein Rechtsanwalt mit über 25 Jahren Berufserfahrung, der zuvor als Kronanwalt und Bezirksstaatsanwalt tätig war, leitet die Klage als vorgeschlagener Vertreter. Zu seinem Anwaltsteam gehören Spezialisten von Stewarts Law, einer der führenden britischen Kanzleien für Wettbewerbsrecht, sowie Beraterteams von Monckton und Matrix Chambers, die zusätzliche Expertise einbringen.

Microsofts mutmaßliche wettbewerbswidrige Praktiken

Die Kernvorwürfe gegen Microsoft konzentrieren sich auf den Umgang des Unternehmens mit der Softwarelizenzierung und den Umgang mit dem Sekundärmarkt für Softwarelizenzen.

Der Klage zufolge hat Microsoft restriktive Lizenzierungspraktiken eingeführt, die Kunden effektiv daran hindern, ihre bestehenden Softwarelizenzen frei weiterzuverkaufen, und sie gleichzeitig zu Abonnementmodellen drängen.

Die Bedeutung dieser Praktiken:

Microsofts Verhalten hatte tiefgreifende und kostspielige Auswirkungen auf Millionen von Einzelpersonen sowie private und öffentliche Organisationen, die im täglichen Geschäftsbetrieb auf die Software von Microsoft angewiesen sind. Wir sind der Ansicht, dass Microsoft seine Marktdominanz missbraucht hat, indem es restriktive Lizenzierungspraktiken durchsetzte, die den Wettbewerb effektiv ausschalteten und die Preise in die Höhe trieben

Kate Pollock - Leiterin der Wettbewerbsrechtsabteilung bei Stewarts Law

Die Klage legt nahe, dass Microsofts Strategie darin bestand, das Angebot an gebrauchten Lizenzen auf dem Markt zu begrenzen und so den Wettbewerb um neue Lizenzen zu verringern.

Dieser Ansatz ermögliche es dem Unternehmen angeblich, sowohl auf dem Markt für neue als auch für gebrauchte Software höhere Preise durchzusetzen. Dadurch hätten Kunden weniger Alternativen und müssten mit überhöhten Kosten rechnen, unabhängig davon, für welche Lizenzoption sie sich entscheiden.

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Ein Muster rechtlicher Herausforderungen

Dieses jüngste Gerichtsverfahren ist nur einer von mehreren laufenden Streitfällen bezüglich Microsofts Lizenzierungspraktiken in Großbritannien.

Der aktuelle Fall weist Ähnlichkeiten mit einer Klage des britischen Resellers ValueLicensing aus dem Jahr 2021 auf, der Microsoft wegen restriktiver Vertragspraktiken und angeblichen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung auf 270 Millionen Pfund verklagte. In diesem noch laufenden Verfahren ging es um Vorwürfe, Microsoft habe Kunden zu Abonnementmodellen gedrängt und sie gleichzeitig am Verkauf ihrer bestehenden Lizenzen gehindert.

Darüber hinaus steht Microsoft in Großbritannien vor einer weiteren erheblichen rechtlichen Herausforderung: Eine separate Sammelklage in Höhe von einer Milliarde Pfund wurde 2024 eingereicht.

Dem Unternehmen wird vorgeworfen, Windows Server-Kunden, die sich für konkurrierende Cloud-Plattformen statt für Microsofts Azure-Dienst entschieden hatten, überhöhte Preise berechnet zu haben. Dieser Fall deutet auf ein breiteres Muster mutmaßlichen wettbewerbswidrigen Verhaltens hin, das über die traditionelle Softwarelizenzierung hinaus auch Cloud-Computing-Dienste betrifft.

Das Muster der rechtlichen Auseinandersetzungen geht über Großbritannien hinaus. Die Organisation Cloud Infrastructure Providers in Europe (CISPE) reichte 2022 bei der Europäischen Kommission Beschwerde gegen Microsoft ein. Zwar zog CISPE seine Beschwerde später zurück, nachdem Microsoft einen Vergleich erzielt hatte, doch die Organisation deutete an, dass der Streit erneut aufgenommen werden könnte, wenn Microsoft seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Microsofts Verteidigung und Reaktion der Industrie

Microsoft weist die Vorwürfe in der aktuellen Sammelklage entschieden zurück. In einer Stellungnahme gegenüber The Register erklärte ein Microsoft-Sprecher:

Diese neue Sammelklage basiert auf denselben unbegründeten Behauptungen bezüglich der Lizenzierung gebrauchter Software, die bereits seit mehreren Jahren in einem anderen Verfahren verhandelt werden. Microsoft hält diese Behauptungen für unbegründet und wird sich energisch dagegen verteidigen.

Microsoft Sprecher

Die Reaktion des Unternehmens lässt darauf schließen, dass es die aktuelle Klage eher als Erweiterung früherer Rechtsstreitigkeiten denn als neue Anschuldigungen betrachtet.

Microsofts Rechtsstrategie scheint darauf zu basieren, die Vorwürfe als unbegründet darzustellen und zu betonen, dass ähnliche Vorwürfe bereits in anderen laufenden Gerichtsverfahren angefochten wurden.

🚫 Auswirkungen auf die britische Digitalwirtschaft

Der Fall erregte in der Rechts- und Technologiebranche große Aufmerksamkeit. Die Prozessfinanzierungsfirma Harbour unterstützte die Klage finanziell. Ellora MacPherson, Geschäftsführerin und Chief Investment Officer von Harbour, bezeichnete den Fall als „wahrscheinlich einen der größten in Großbritannien“ und betonte seine Bedeutung als „Beispiel dafür, wie große Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden können“.

Die potenziellen Auswirkungen dieses Falls reichen weit über Microsoft hinaus, da er wichtige Präzedenzfälle für die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf Softwarelizenzpraktiken in der digitalen Wirtschaft schaffen könnte.

Da Milliarden von Pfund auf dem Spiel stehen könnten, könnte der Ausgang die Gestaltung ihrer Lizenzvereinbarungen und Preisstrategien anderer großer Technologieunternehmen beeinflussen.

Für britische Verbraucher, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen bietet der Fall die Chance, potenziell erheblich überhöhte Preise für über fast ein Jahrzehnt erworbene Softwarelizenzen zurückzufordern.

Der Opt-out-Charakter der Sammelklage bedeutet, dass berechtigte Parteien automatisch einbezogen werden, sofern sie sich nicht ausdrücklich ausschließen. Dadurch erhöht sich potenziell die Zahl der betroffenen Kunden, die von einem eventuellen Vergleich oder Urteil profitieren könnten.

📃 Fazit - Geistiges Eigentum vs. Verhinderung wettbewerbsschädigender Praktiken

Der weitere Verlauf dieses Rechtsstreits dürfte wichtige Erkenntnisse über die Balance zwischen dem Schutz geistigen Eigentums und der Verhinderung wettbewerbsschädigender Praktiken in der Softwarebranche liefern.

Der Fall verdeutlicht zudem die zunehmende Kritik, der große Technologieunternehmen hinsichtlich ihrer Marktdominanz und Preisstrategien ausgesetzt sind.

Frank Kister - CFO EntekSystems

Da erfahrene Rechtsanwälte auf beiden Seiten vertreten sind und erhebliche finanzielle Mittel auf dem Spiel stehen, dürfte dieser Fall von Kartellrechtsexperten, Akteuren der Technologiebranche und Verbrauchern gleichermaßen aufmerksam beobachtet werden.

Während Großbritannien seinen Wettbewerbsrechtsrahmen nach dem Brexit weiterentwickelt, könnten Fälle wie dieser entscheidend dazu beitragen, wie britische Gerichte und Regulierungsbehörden mit Vorwürfen wettbewerbswidrigen Verhaltens globaler Technologiekonzerne umgehen.

Das Ergebnis könnte nachhaltige Auswirkungen auf die britische Digitalwirtschaft und die Rechte von Softwarenutzern im ganzen Land haben.

Alexander van der Steeg
Alexander van der Steeg Autor

CTO

Herr van der Steeg ist bei der EntekSystems als Chief Technology Officer für alle Belange der Produktentwicklung und technischen Konzeption verantwortlich.

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