Security

Sind Unterwasser Rechenzentren die Zukunft?

Wasser ist normalerweise der größte Feind eines Rechenzentrums. Microsoft hat hier mit einem Rechenzentrum unter Wasser das Gegenteil bewiesen.

Michael Kostka
Michael Kostka Veröffentlicht am 18.01.2022

Mit Projekt "Natick" hat Microsoft bereits in 2015 vorgestellt wie ein Rechenzentrum komplett unter Wasser betrieben werden kann. Das Vorhaben befindet sich seither sogar in einer Phase 2 mit weiterführenden Tests an der Nordküste des schottischen Festlandes.

Warum Unterwasser?

Die Idee ist relativ einfach. Ein auf dem Meeresboden versenktes Rechenzentrum bietet unter anderem die folgenden Vorteile, die ein Pendant an Land nur schwer bieten kann:

  • Keine Korrosion durch Sauerstoff und Feuchtigkeit (dazu später mehr)
  • Keine Temperaturschwankungen
  • Keine Erschütterungen durch Personen
  • Kürzere Übertragungswege durch die Küstennähe vieler Städte
  • Keine Versiegelung kostbarer Grundflächen
  • Kostenlose Kühlung direkt durch das Meerwasser

Unsere Ausfallrate ist achtmal geringer als an Land.

Ben Cutler, Leiter von Project Natick

Gerade in Zeiten von steigenden Energiepreisen und zunehmend wichtiger werdenden ökologischen Aspekten beim Betrieb von Rechenzentren, bietet eine Unterwasser-Lösung also zahlreiche Vorteile.

Aber schauen wir uns das Thema etwas näher an.

Die Technik dahinter

Wasser ist der größte Feind der Technik - das weiß jeder, der schoneinmal ein Glas Wasser über sein Notebook verschüttet hat.

Die hochsensiblen Server und zugehörige Peripherie wie Router, Switches bzw. Netzwerkinfrastruktur können daher natürlich nicht einfach so im (Salz-)Wasser schutzlos versenkt werden.

Die gesamte Technik wird daher - ähnlich einem Container RZ - in einem U-Boot artigen und wasserdichten Druckbehälter gekapselt. Dieser schützt die Technik vor allen äußeren Einflüssen des Meeres. Insgesamt enthielt der Druckbehälter zwölf Racks mit insgesamt 864 Servern.

Probleme und Lösungen

Wie wir im oberen Bereich schon erahnen konnten, handelt es sich um eine komplett isolierte Umgebung. D.h. mal eben ein Kabel umpatchen oder einen defekten Server austauschen ist schlichtweg nicht möglich.

Es gibt - zumindest laut der offiziellen Aussagen - keine Druckschleuse über die ein Techniker Wartungsarbeiten innerhalb vornehmen könnte. Dies wäre aufgrund der Schutzatmosphäre und den Gefahren durch eindringendes Wasser auch völlig unrealistisch und wahrscheinlich nicht im Sinne des Erfinders.

Die Lösung als Colocation Bereich für wechselnde Kunden scheidet somit also aus.

Redundante Komponenten

Umso wichtiger ist es, dass kritische Komponenten wie Stromversorgung, Netzwerkanbindung, etc. innerhalb des Unterwasser-RZs redundant ausgelegt sind. Es wäre fatal und absolut unwirtschaftlich wegen eines defekten Netzwerk-Uplinks das gesamte RZ vom Meeresboden bergen zu müssen.

Kosten

Auch sollte klar sein, dass der Aufwand für die Vorbereitung, Versenkung und Bergung derzeit nur von Spezialfirmen übernommen werden kann und die Kosten eines traditionellen Rechenzentrums sehr wahrscheinlich übersteigt.

Alternative Ansätze

Zugegeben - der von Microsoft gewählte Ansatz hat durchaus einige extreme Ansätze, zeigt aber, dass auch auf den ersten Blick abwegige Ideen durchaus Ihre Vorteile haben können.

Im Bereich von Rechenzentren gibt es aber unlängst weitere Ansätze, die vor allem mit alternativen Kühlmethoden zu tun haben.

So setzt man beispielsweise in nördlichen Ländern wie Island, Norwegen oder Schweden aufgrund der geographischen Gegebenheiten unlängst auf eine Freiluft- / Außenkühlung.

Doch auch in unseren Breitengraden kann eine Freiluftkühlung bis auf einige wenige Sommertage durchaus eine Alternative für einen ökologischeren und wirtschaftlicheren Betrieb sein.

An unserem Rechenzentrumsstandort Frankfurt am Main wird dagegen auf eine Kühlung per Grundwasser gesetzt. Für heiße Sommertage wird die zur Kühlung notwendige Zusatzenergie ebenfalls aus erneuerbaren Energien bezogen.

In direkter Nachbarschaft entsteht in einem Pilotprojekt auch eine Fernwärmeversorgung des angrenzenden Wohnviertels per Abwärme aus den technischen Anlagen / Serverräumen.

Flüssigkühlung als Alternative?

In Punkto Flüssigkühlung muss man nicht gleich ein komplettes Rechenzentrum versenken. Es gibt stattdessen auch ein weiteres Kühlungskonzept, welches auf der 3M Novec Flüssigkeit mit niedrigem Siedepunkt basiert. Und nein, diese lässt sich nicht mit der Salatölkühlung aus den 2000er Jahren vergleichen ;)

Hierbei werden CPU, Mainboard und weitere Komponenten des Servers in ein Flüssigkeitsbad getaucht. Durch die warmen Chips erreicht die umgebende Flüssigkeit Ihren Siedepunkt (61°C) und verdampft. Dieser Phasenwechsel erzeugt einen sehr starken Abtransport der Wärme von den zu kühlenden Bauteilen.

Der aufsteigende Dampf wird dann in einem geschlossenen Kreislauf wieder kondensiert und somit in das Bad zurückgeführt.

PC Cooling Submerged in 3M Liquid

Wer mehr zu den Vor- und Nachteilen dieser Lösung wissen möchte, dem empfehlen wir folgendes Video des YouTubers und Overclocking-Experten "der3auer":

Projekt Exhalare 2.0

Fazit

Auch wenn viele der vorgestellten Kühl-Lösungen einen sehr innovativen und durchaus sinnvollen Charakter haben, sind die Lösungen meist leider noch in einem Prototypen-Status und (noch) nicht praxistauglich.

Die Kosten für derartige Speziallösungen überwiegen auf lange Sicht leider noch die traditionelle und weit verbreitete Luftkühlung. Dank Kaltgangeinhausung und ökologischer Stromquellen hat diese Lösung nach wie vor noch die Oberhand.

Aber wie sieht es in Zukunft aus? Immer höhere Energiedichten, steigende Strompreise und mehr Rechenleistung werden viele der bestehenden Konzept sicherlich verdrängen oder irgendwann überfordern.

Titelbild: https://news.microsoft.com/de-de/features/project-natick-zeigt-nachhaltigkeit-von-unterwasser-rechenzentren/

Michael Kostka
Michael Kostka Autor

Geschäftsführer / CEO

Gründer und Geschäftsführer der EntekSystems GmbH. Herr Kostka verantwortet bei uns die Bereiche technischer Vertrieb und Leitung des Tagesgeschäfts.

Colocation, Hosting und Managed Services

Im zertifizierten Rechenzentrum am Standort Frankfurt / Main

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